“Völkerstrafrecht“
"…Entschlossen, der Straflosigkeit der Täter ein Ende zu setzen…" verabschiedete die Diplomatische Bevollmächtigtenkonferenz der Vereinten Nationen am 17. Juli 1998 in Rom das Statut über den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) zur Ahndung schwerster Straftaten, die den
"…Frieden, die Sicherheit und das Wohl der Welt" bedrohen. Erfasst sind u.a. Völkermord, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und das Verbrechen der Aggression.
Nach der Ratifizierung durch 60 Zeichnerstaaten trat das Römische Statut (RS) am 01. Juli 2002 in Kraft. Vorausgegangen war eine Verständigung über die Notwendigkeit einer internationalen Strafgerichtsbarkeit, deren Anfänge zurückreichen bis zur Genfer Konvention über Kriegsverbrechen von 1864. Die Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse formulierten in der Folge 1945 erstmals schwerste Verbrechen als völkerstrafrechtliche Tatbestände. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen errichtet 1993/94 nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen "ad hoc-Strafgerichtshöfe" zur Ahndung von Kriegsverbrechen im früheren Jugoslawien und Ruanda als friedenssichernde Maßnahme, deren Arbeit andauert.
Heute hat der IStGH mit Sitz in Den Haag seine Arbeit aufgenommen. Anders, als die Kriegsverbrechertribunale für das frühere Jugoslawien und Ruanda, kommt dem IStGH aber nicht nur eine nachträglich begründete Zuständigkeit für eine regional begrenzte Konfliktsituation zu. Erstmals in der Geschichte sind die formellen Voraussetzungen geschaffen, der "rule of law" als universelle Herrschaft des Rechts über staatlichen Machtmißbrauch zu einer umfassenden, weltweiten Geltung zu verhelfen.
Schwerste Verbrechen gegen das humanitäre Völkerrecht zu ahnden bleibt allerdings auch nach Errichtung des IStGH zuvorderst einzelstaatliche Aufgabe. Eine Zuständigkeit des IStGH ist nur da begründet, wo kein Einzelstaat die Strafverfolgung ernsthaft betreibt. Durch die Schaffung des Völkerstrafgesetzbuchs (VStGB) soll eine lückenlose Strafverfolgung auch in Deutschland ermöglicht werden.
Hierzu umfasst das VStGB als unmittelbar geltendes Recht den besonderen Unrechtsgehalt schwerster Straftaten wie Folter, Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Ausrottung, Versklavung, Vertreibung u.a.), und schließt so bislang verbliebene Lücken des deutschen Strafgesetzbuchs. Zugleich begründet das VStGB durch eine Ausweitung des Weltrechtsprinzips die formelle Basis für eine Verfolgung und Ahndung weltweit begangener schwerster Straftaten durch die deutsche Justiz.
Wegen der überaus vielschichtigen und schwierigen Rechtsprobleme, die sich aus der Überschneidung von deutschem Strafrecht, (humanitärem) Völkerrecht und Völkergewohnheitsrecht ergeben, ist auf Seiten der bundesdeutschen Justiz die Verfolgungszuständigkeit beim Generalbundesanwalt und die erstinstanzliche Zuständigkeit bei den Oberlandesgerichten begründet. Das in seiner Entwicklung noch am Anfang stehende Völkerstrafrecht fordert eine Verteidigung, die sich den besonderen Anforderungen internationaler Strafverfolgung in rechtlicher und in tatsächlicher Hinsicht bewusst ist und diesen in kompetenter Weise engagiert begegnet.